„Edges, Hooks & Smears – Fußtechnik, die den Unterschied macht“
- Mirko Storm
- 25. Dez. 2023
- 8 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 2. Juni

Stehen können statt nur ziehen – Fußtechnik beim Klettern
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen dem Klettern in der Halle und draußen am Fels?Oder etwas provokanter gefragt: Am Kilterboard fliegen dir schwere Boulder nur so zu – aber draußen läuft gar nichts? Was ist da los?
Ein Zitat, das ich von meinen Freunden immer wieder höre:
„Früher hatten wir keine Kraft – aber stehen konnten wir!“
Und ehrlich: Da steckt viel Wahrheit drin.
Ich bin jetzt schon ein paar Jahre am Fels unterwegs und möchte heute etwas mit euch teilen, das – so hoffe ich – hilfreich für eure Entwicklung sein kann.
Bei all den tollen Trainings-Apps, Power-Tools, Hangboard-Sessions und sonstigen Kraftplänen (ja, die haben absolut ihre Berechtigung!), wird die Fußtechnik oft unterschätzt. Dabei kann genau hier ein echter Gamechanger liegen.
Deshalb mein Appell:Lernt, eure Füße gezielt und präzise einzusetzen. Feine Tritte sauber zu belasten, bewusst zu steigen statt zu hopsen – das bringt euch draußen einen entscheidenden Schritt weiter.
Schauen wir uns mal die 3 wichtigsten Facetten an:
1. Die Trittgrösse am Felsen verglichen mit der in der Halle
2. Das Schuhwerk und sein Einfluss
3. Das Training um besser stehen zu können
1. Die Trittgröße – Warum klein oft entscheidend ist
Wenn ich mich in modernen Kletter- und Boulderhallen bewege, fällt eines sofort auf:Riesige Volumen, wohin man schaut – mal glatt, mal rau, mal schon ordentlich abgenutzt 😉. Und genau da liegt ein Problem: Die Präzision leidet.
Auf großen Tritten ist es selten entscheidend, exakt zu stehen. Klar, auch hier muss man eine gute Fußposition finden, aber das gezielte, millimetergenaue Anstehen wird kaum trainiert. Noch dazu sind die meisten Griffe und Tritte aufgeschraubt – dadurch lässt sich echtes „Kleintreten“ baulich kaum umsetzen.
Wenn du also besser werden willst, hier ein einfacher, aber wirkungsvoller Tipp:
👉 Trainiere gezielt auf kleinen, präzisen Tritten!
Suche dir Routen oder Boulder, die sehr feine, abschüssige oder glatte Tritte haben.
Manche Hallen haben noch Strukturen direkt in der Wandoberfläche – probiere mal, deine Route nur auf diesen zu klettern (Hände wie gewohnt, Füße nur auf Wandstruktur!).
Du hast eine eigene Wand oder einen kleinen Trainingsbereich?Dann ab in den Baumarkt: Kauf dir dünne Holzleisten (4–5 mm Dicke) und schraub sie in unterschiedlichen Wandneigungen an. Perfekt, um sauberes Antreten zu üben!
Je präziser deine Füße stehen, desto leichter wird dir auch technisch anspruchsvolles Klettern draußen am Fels fallen – vor allem auf Platten, Rissen und Reibungsklettereien.
Fazit: Großer Tritt = bequem, aber wenig lehrreich. Kleiner Tritt = herausfordernd, aber extrem effektiv!
Hier mal ein paar Bilder, damit du weiss wovon ich rede:
Was du hier siehst, stammt aus Bouldern im Bereich 7a bis 7b, bei fast 45 Grad Steilheit. Die Trittflächen, die sich da bieten, sind meist nicht größer als 3–5 mm – und genau das macht am Ende den Unterschied.
Die Frage ist:👉 Haben wir die Fähigkeit, solche Mini-Tritte bewusst zu nutzen? Wie viel Körpergewicht können wir wirklich darauf abgeben? Wie gut können wir an ihnen „ziehen“, um Spannung aufzubauen und uns in der Wand zu halten?
Das ist der entscheidende Skill, wenn es technisch und kräftemäßig ernst wird. Nicht mehr blind draufsteigen, sondern gezielt, kontrolliert und kraftvoll arbeiten – mit den Füßen!
🔍 Challenge für dich: Geh mal durch deine Kletter- oder Boulderhalle und schau ganz bewusst: Wie klein ist der kleinste Tritt, den du finden kannst?
👉 Schreib’s gerne in die Kommentare – ich bin gespannt!
2. Die Kletterschuhe – Präzision beginnt am Fuß
Wer hätte es gedacht: Fortschritt beginnt nicht nur im Training – sondern auch bei den Schuhen. Oder genauer: bei passenden Schuhen!
Keine Sorge, ich bekomme nichts von Scarpa – ich zahle meine Schuhe wie ihr auch. 😉
Aber Fakt ist: Wer mit seinen Kletterschuhen bequem wandern kann, wird keine kleinen Tritte sauber stehen können.Andererseits: Drei Nummern zu klein ist auch keine Lösung...
Warum passt nicht jeder Schuh zu jedem Fuß?
Ein häufiger Fehler: Wenn der große Zeh zu weit über das Sohlengummi hinaussteht und auf das Randgummi drückt, kann der Tritt nicht richtig belastet werden.(Dazu weiter unten mehr – Stichwort: Kraftübertragung).
Ich selbst wiege rund 85 kg – da kommt ordentlich Druck auf kleine Tritte.Deshalb brauche ich Schuhe, die mir „schmeicheln“, sprich:
Die meinen Fuß komplett ausfüllen,
kaum Hohlräume lassen (außer vielleicht leicht an der Ferse – bei Mehrseillängen, da trage ich sie etwas bequemer),
und bei denen sich der Vorderfuß nicht im Schuh drehen kann – ein absolutes No-Go!
Meine Zehen sind im Schuh leicht aufgestellt, aber nur so weit, dass ich die Schuhe etwa 10 Minuten schmerzfrei tragen kann. Danach: Ausziehen. (Ihr kennt das.)
Unterschied Halle vs. Fels
In der Halle trage ich meist etwas weichere und leicht größere Schuhe.Warum?
Weil dort oft auf großen Volumen gestanden wird,
oder ich mit den Zehen in Griff-Incuts „hooke“ oder ziehe.Draußen am Fels sind Präzision, Kantenstabilität und Spannung gefragt – da müssen die Schuhe sitzen.
Das A und O:
👉 Achte darauf, dass deine Zehen bündig mit dem Sohlengummi abschließen.Nur so wird die Kraft sauber übertragen – und du kannst auch die winzigsten Tritte nutzen.
Schuhauswahl: Je nach Route, Tritt und Stil
Ich wähle meine Kletterschuhe gezielt nach der Art der Route oder des Boulders. Ein und derselbe Schuh funktioniert nicht überall gleich gut – und mit der Zeit entwickelt man ein Gespür dafür, was zu welchem Stil passt:
🧗♂️ Steile Touren mit kleinen Tritten
➡️ Harte Sohle (mit oder ohne Downturn)Damit lassen sich kleine Leisten zuverlässig stehen – Kraft wird direkt übertragen, der Schuh gibt stabilen Support.
🧗♀️ Senkrechte Wand mit kleinen Tritten
➡️ Harte Sohle, eher ohne DownturnIn diesem Terrain braucht es exakte Kantenpräzision und eine neutrale Form – kein übertriebener Downturn, aber solide Unterstützung im Vorderfuß.
🧗♂️ Steil & große, flache Tritte
➡️ Weicher SchuhHier geht es mehr ums Fühlen: Weiche Schuhe geben besseres Feedback, ob ein Tritt wirklich hält.
🧗♀️ Platten
➡️ Balance zwischen Support und FlexibilitätPlatten erfordern Fingerspitzengefühl – im wahrsten Sinne. Der Schuh sollte ausreichend Biegsamkeit mitbringen, aber auch Support im Vorderfuß bieten.Wichtig: Gummifläche auf dem Fels – aber nicht so weit über die Zehenspitzen gezogen, dass die Kraftverteilung verloren geht.
Was aber, wenn sich der Charakter der Route ändert?
Tja – das passiert ständig. 😉Mit der Zeit findest du einen „Universal“-Schuh, der in vielen Situationen funktioniert.Bei mir ist das z. B. der Scarpa Vapor – stabil, präzise, und trotzdem nicht zu extrem.
🔧 Kleiner Profi-Tipp:
Meiner Meinung nach spielt die Härte des Sohlengummis eine entscheidende Rolle, wenn’s um die Trittperformance geht:
Weiches Gummi gibt mehr Reibung & Feedback.
Harter Gummi sorgt für bessere Kantenstabilität – vor allem auf kleinen Tritten.
Weicher Schuh + hohes Gewicht = oft kein gutes Team
Was ich draußen am Fels häufig beobachte: Schwerere Kletter:innen tragen oft sehr weiche Schuhe – weil es in der Halle gut funktioniert. Aber auf kleinen, scharfen Tritten am Fels versagt das Setup oft.
Warum?➡️ Das weiche Gummi wird unter Belastung über die Zehenspitze gedrückt – und dadurch verliert der Tritt an Präzision und Stabilität.Die Folge: Du musst mit den Fingern mehr kompensieren, um die Position zu halten.Das kostet unnötig Kraft – und endet nicht selten mit dem Abgang.
Oft höre ich dann Sätze wie:
„Mit härterem Gummi spüre ich den Tritt nicht so gut…“
Verständlich – das Gefühl ist weniger direkt, vor allem am Anfang. Aber genau hier liegt die Chance:
👉 Lerne damit umzugehen.
Üben hilft.
Denn: Ein gut platzierter Fuß braucht nicht immer maximales Feedback – sondern Vertrauen, Technik und Training. Mit der Zeit wirst du lernen, auch mit härteren Schuhen präzise zu stehen – und profitierst dann von besserer Unterstützung und effizienterer Kraftübertragung.

Warum es ungünstig ist, wenn der Zeh das Randgummi über das Sohlengummi drückt.
Ein technisches Detail mit großer Wirkung: Wenn der große Zeh nicht richtig über dem Sohlengummi sitzt, sondern das Randgummi dominiert, leidet die Funktionalität des Schuhs erheblich.
Was passiert konkret?
➡️ Hebst du in einer Route die Ferse an (z. B. um Spannung aufzubauen oder die Körperposition zu stabilisieren),kann das Randgummi – das weicher und flexibler ist – den Druck nicht ausreichend auf die Trittfläche übertragen.Das Sohlengummi „hebt“ sich dadurch von der Kante ab, und du rutschst ab, obwohl du eigentlich noch auf dem Tritt stehen solltest.
Das ist besonders in steilen Touren ein echtes Problem, wo aktive Fußarbeit und Körperspannung entscheidend sind.Auf Platten ist es weniger kritisch, aber auch da musst du die Ferse anheben können, ohne die Trittpräzision zu verlieren.
Ich hatte bisher keine Situation, in der es hilfreich war, wenn mein Zeh das Randgummi dominiert hat – im Gegenteil!
Persönlicher Aha-Moment
Mir ist das wie Schuppen von den Augen gefallen, als ich von Five Ten auf Scarpa gewechselt habe.Und nein – es geht nicht um Markenliebe.Jeder Hersteller bietet Modelle mit unterschiedlichen Gummimischungen, und letztlich zählt:Wie steht dein Fuß im Schuh? Wo sitzt dein Zeh? Wie ist die Gummizusammensetzung?
Harte vs. weiche Sohle – was für wen?
Nach meinen Erfahrungen gilt grob gesagt:
Schwerere Kletter:innen profitieren tendenziell von härteren Sohlen, weil sie mehr Gewicht stabil auf kleine Tritte bringen müssen.
Leichtere Kletter:innen kommen oft besser mit weicheren Sohlen klar, da sie weniger Druck aufbauen und stärker vom Trittgefühl profitieren.
Natürlich gibt’s Ausnahmen – aber die Schuhwahl sollte zum Kletterstil UND zum Körpergewicht passen.
Fazit:Achte darauf, wo dein Zeh im Schuh landet – und wie sich das Gummi bei Belastung verhält. Eine saubere Passform und die richtige Gummihärte machen einen riesigen Unterschied – vor allem draußen am Fels.
3. Körperliches Training für bessere Tritt-Nutzbarkeit
Natürlich gilt:Das beste Training für präzises Treten ist das Klettern selbst – am besten draußen am Fels.Nur dort lernst du, wie sich echte Minileisten und abschüssige Tritte anfühlen und wie du deinen Körper entsprechend positionierst.
Aber:Gute Körperspannung und gezielte Kraftkontrolle sind die Grundlage, um solche Tritte effektiv zu nutzen – besonders in steilen Routen.
Übung macht den Unterschied – nicht nur an der Wand
Teste folgendes, um deine Trittkontrolle zu verbessern:
✅ Starte mit einem Extratraining pro Woche, das gezielt Körperspannung und Bein-/Fußkraft adressiert.✅ Nach 3–4 Wochen kannst du das Training auf zwei Einheiten pro Woche erhöhen – je nach Regeneration und Kletterpensum.
Wichtig: Es geht nicht darum, noch mehr „reinzuballern“, sondern bewusst an den Grundlagen zu arbeiten, die draußen über Erfolg oder Frust entscheiden.
Planke mit diagonalem abheben:
Je nach Können 1-3 Min. = 1 Set, mache 2-3 Sets mit je 3-5 Min. Pause zwischen den Sets
Seitstütz mit abheben der Beine:
Je nach Können 8-20 WH = 1 Set, mache 2-3 Sets mit je 3-5 Min. Pause zwischen den Sets
Hüftstrecker aus dem L-Sitz:
Je nach Können 8-20 WH = 1 Set, mache 2-3 Sets mit je 3-5 Min. Pause zwischen den Sets
Adduktor der Beine im TRX:
Je nach Können 8-20 WH = 1 Set, mache 2-3 Sets mit je 3-5 Min. Pause zwischen den Sets
Hip Thrusts mit der Langhantel:
Je nach Können 8-20 WH = 1 Set, mache 2-3 Sets mit je 3-5 Min. Pause zwischen den Sets
Hangwaage: (für fortgeschrittene!)
Je nach Können 0-3 WH (von der Kerze her ablassen oder 1-10 Sek. die Position halten = 1 Set, mache 3-4 Sets mit je 3-5 Min. Pause zwischen den Sets
Natürlich gibt es viele Wege, die Fußtechnik zu verbessern – dies hier ist nur eine Möglichkeit von vielen.Ich erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit – aber vielleicht war ja der eine oder andere Impuls dabei, der euch weiterhilft.
Ich hoffe, ihr konntet etwas mitnehmen – und es vor allem direkt anwenden.Bleibt dran, bleibt neugierig und:
Climb on – und habt Spaß dabei!
Liebe Grüße,Mirko
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